Die Anfänge der Anthroposophischen Medizin wurden in den frühen 20er Jahren des 20. Jahrhunderts von Dr. Rudolf Steiner (1861-1925) in Zusammenarbeit mit der niederländischen Ärztin Dr. med. Ita Wegman (1876-1943) ausgearbeitet. Ohne das Zusammenwirken dieser beiden wunderbaren Persönlichkeiten gäbe es heute weder die Anthroposophische Medizin noch eine Anthroposophische Pflegepraxis.
Rudolf Steiner brachte unser Verständnis wissenschaftlichen Arbeitens einen riesigen Schritt voran, indem er in seinen frühen Grundlagenwerken „Grundlinien einer Erkenntnistheorie der Goetheschen Weltanschauung“ und „Die Philosophie der Freiheit. Seelische Beobachtungsresultate nach naturwissenschaftlicher Methode“ die in den modernen Naturwissenschaften entwickelte exakte empirisch-wissenschaftliche Arbeitsweise auf die Untersuchung der Vorgänge beim Erkennen im menschlichen Bewusstsein übertrug.
Mit diesen erkenntniswissenschaftlichen Arbeiten konnte er ein Fundament legen für eine Erneuerung der modernen Wissenschaften, die auf allen Gebieten in radikaler Konsequenz tabulos den Phänomenen in der Wirklichkeit zu ihrem Recht verhilft und ein Herumhantieren mit abstrakten Modellvorstellungen oder bloßen statistischen Wahrscheinlichkeitsberechnungen zurückweist.
Bei der Ausarbeitung seines Ansatzes knüpfte Rudolf Steiner an die Arbeiten Johann Wolfgang von Goethes (1749-1832) auf verschiedenen Gebieten der Wissenschaften an. Die von ihm begründete wissenschaftliche Strömung nannte Rudolf Steiner später „exakte Geisteswissenschaft“ oder „Anthroposophie“.
Auch die Anthroposophische Medizin geht im Sinne des hier Dargestellten immer konsequent nie von allgemeinen Theoriegebäuden aus, sondern genau von den Phänomenen, die sich am konkret betroffenen individuellen Menschen zeigen.
Sie ist daher eine Heilkunde, die immer auf lebendiger Erfahrung beruht.
Sie ist damit zugleich eine Kunst, weil sie die Herausforderung mit sich bringt, im Dialog mit der Patientin/dem Patienten aus dem lebendigen Erfahren heraus mit schöpferischem Denken immer wieder neu die nächsten Schritte eines Heilungswegs zu erfassen.
Von ihrem Bahn brechenden erkenntniswissenschaftlichen Ansetzen aus konnten Rudolf Steiner und Ita Wegman ohne jede Einschränkung die Wirklichkeit des ganzen Menschen in den Blick nehmen: Seinen Körper, seine Lebenskräfte, seine Seele, sein Ich, seine Biografie, sein Lebensumfeld.
Die Anthroposophische Medizin ist deshalb eine Heilkunst, die offen dafür ist, die ganze Wirklichkeit eines Menschen wahrzunehmen: Das Leibliche wie das Seelische wie das Geistige wie das Soziale. Zugespitzt könnte man formulieren: Sie behandelt nicht isoliert vorgestellte Krankheiten, sondern sie unterstützt Menschen auf ihren immer ganz individuellen Lebenswegen. Die Ziele, die wir uns im Leben setzen, die Hindernisse, auf die wir dabei stoßen, werden immer von vornherein in die Zusammenarbeit mit den Patientinnen und Patienten mit einbezogen.
Dieser zugleich exakt differenzierende wie ganzheitliche Ausgangspunkt der Anthroposophischen Medizin hat für ihre Arbeitsweise Konsequenzen:
Ihre phänomenologische Genauigkeit führt zu einem präziseren Verständnis dessen, was Gesundheit eigentlich ist: Es gibt im menschlichen Leben immer sowohl aufbauende wie abbauende Kräfte. Beide sind berechtigt. Es kann im Leben nie nur um Aufbau gehen. Es kommt darauf an, die Kunst zu üben, in der eigenen Lebensführung immer wieder neu ein Gleichgewicht zwischen diesen Kräften auszutarieren.
Es werden nie nur isoliert Symptome einer gesundheitlichen Störung bzw. einer Erkrankung gesehen, sondern es wird die ganze Situation des betreffenden Menschen in den Blick genommen, also auch seine Selbstheilungskräfte, seine Fähigkeiten und Stärken.
Hier berühren sich die Vorgehensweisen der Anthroposophischen Medizin und der Klassischen Homöopathie: Beide wissen darum, dass die Kräfte, die uns gesund machen, schon in uns selber liegen, und wollen das Wirken dieser inneren Ärztin in uns, dieses inneren Arztes in uns (Selbstheilungskräfte) anregen, unterstützen, ihm Raum geben.
Die Anthroposophie untersucht die exakten Zusammenhänge zwischen uns Menschen und den Naturreichen der uns umgebenden Welt, den Mineralien, den Pflanzen und den Tieren in der Evolution des Kosmos, zu dem wir gehören.
Aus dem Verständnis dieser Zusammenhänge heraus kann die Anthroposophische Medizin bestimmen, welche Substanzen aus der Natur in welcher Zubereitung, in welcher Anwendung für uns an dem jetzigen Punkt unseres Lebenswegs Heilmittel, Medizin werden können.
Die Anthroposophische Medizin setzt also systematisch - mit wissenschaftlichem Durchblick - auf die Heilkräfte der Natur. Dabei erweitert sie zugleich die Bandbreite der Einsatzmöglichkeiten der Substanzen aus der Natur: Nicht nur ihre Einnahme durch den Mund, sondern auch ihre Aufnahme durch die Haut über Salben, Wickel, Auflagen, Bäder oder über die Atmung z.B. mit Dampfbädern. Auch Injektionen anthroposophischer Tinkturen gehören zum Spektrum der anthroposophischen Heilkunst.
Weil die Anthroposophische Medizin um die Heilkraft des Geistigen im Leben von Menschen weiß und selber eine Kunst ist, bezieht sie die weiten Bereiche des künstlerischen Übens wie des Lernens und Studierens von vornherein in die Begleitung von Menschen mit ein: Kunsttherapie, Eurythmie/ Heileurythmie, Sprachgestaltung, Literatur bzw. Lektüren, die uns weiterbringen.
Auch das familiäre, soziale, berufliche und gesellschaftliche bzw. politische Umfeld wird mit einbezogen. Es kommt auf unser ganzes Dasein an. Unser Dasein bewegt sich in diesen Zusammenhängen. Sie gehören deshalb zu unserer Arbeit für unsere Gesundheit dazu.
Was hat dieser Hintergrund für Konsequenzen für meine Arbeitsweise?
Die Anthroposophische Medizin ist eine Medizin, die bewusst durchgängig in allen ihren Vorgehensweisen der Wirklichkeit des Menschseins angemessen sein will, die Wirklichkeit des Menschseins unterstützen will.
Die Möglichkeiten der modernen Technik werden - wo sie gebraucht werden - voll einbezogen, aber das Menschenverständnis wird keinen Millimeter der Vergegenständlichung und Technisierung preisgegeben.
Die Anthroposophische Medizin ist daher eine sehr menschliche Medizin.
Auch in der medizinischen Pflege steht die Fürsorglichkeit von Mensch zu Mensch im Zentrum.
Wo in der Medizin und Pflege spielt dies heute noch eine große Rolle?
Als Therapeutin dieser medizinischen Richtung nehme ich mir selbstverständlich sehr viel Zeit für Sie - so viel Zeit, wie Sie für Ihre Gesundung brauchen. Sie als einzigartiger Mensch stehen im Mittelpunkt. Schließlich geht es um Ihre Gesundheit.
Was hat dieser Hintergrund für Sie als Patientin/als Patient für Konsequenzen?
Vor allem dies: Ohne Ihre Bereitschaft, mitzuarbeiten, kann dies nicht gelingen!
„Wasch’ mir den Pelz, aber mach’ mich nicht nass!“: Das kann nicht funktionieren!
Die Zusammenarbeit mit mir als anthroposophisch orientierter Heilpraktikerin ist eine gemeinsame Entdeckungsreise, die immer wieder Überraschungen mit sich bringen wird.
Da ist es wichtig, dass Sie - so weitgehend, wie es Ihnen möglich ist - bereit sind, mir gegenüber alles zu äußern, was mit Ihrer jeweils aktuellen gesundheitlichen Situation in Zusammenhang steht, und auch bereit sind, die praktischen Vorschläge umzusetzen und zu üben, die wir zusammen ausgearbeitet haben.
Unvermeidlicherweise geht es dabei immer auch um eine Änderung Ihrer gewohnten Lebensführung.
Auf diese Fragen werden wir stoßen.
Der Titel von Rudolf Steiners Hauptwerk heißt „Die Philosophie der Freiheit“.
Es geht also in der Anthroposophischen Medizin nie um irgendein Moralisieren. Aber je mehr Sie bereit sind und Freude dabei entwickeln, diese Fragen in den Blick zu nehmen, Neues auszuprobieren, Wichtiges immer wieder neu zu üben, allmählich so zur Meisterin/zum Meister Ihres eigenen Lebens zu werden, desto hilfreicher wird sich dieser anthroposophische Weg für Sie erweisen können.
Dr. med. Otto Eichelberger: Schriftenreihe in 4 Bänden, erschienen im Narayana Verlag:
Dr. med. Heinz-Hartmut Vogel
Henning Schramm
Medizinische Sektion der Freien Hochschule für Geisteswissenschaft, Dornach/Schweiz Gesellschaft Anthroposophischer Ärzte in Deutschland e. V. (GAÄD)
Dr. Rudolf Steiner
Dr. med. Alla Selawry
Dr. Peter Alsted Pedersen (Hrsg.)
Prof. Dr. Ulrich Meyer (Hrsg.)
Dieser Artikel behandelt ein Gesundheitsthema. Er dient nicht der Selbstdiagnose und ersetzt keine ärztliche Diagnose. Bitte beachten Sie hierzu die Hinweise zu Gesundheitsthemen im Impressum!
©Margit Adele Volk
Klassische Homöopathie & Anthroposophische Medizin
Individuell, nah am Menschen
Die Botschaft des Krankseins verstehen